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Jeju, Hallasan und andere Abenteuer

Donnerstag, der 14. November 2019, es ist früh morgens hier im ruhigen Aewol auf Jeju, die Vöglein zwitschern fröhlich, ein leises Rauschen im Hintergrund und das Meer in Sichtweite aus dem geräumigen Appartement im "kleinen weißen Bungalow", jener tollen Unterkunft "천상의 노을" (Himmlischer Sonnenuntergang) im nördlicheren Teil der Insel, starte ich in den noch jungen Tag.

Noch ahne ich natürlich nicht, dass dieser eine spezielle Tag, von dem hier die Rede sein wird, sich bei mir als ein einziger besonderer Moment in meinem Gedächtnis für lange Zeit abspeichern wird aus den gut 3 Wochen in Korea im Jahre 2019.

Für die Wanderung heute auf den Hallasan bin ich besonders früh aufgestanden und möchte mich gerade leise aus dem Haus schleichen, als das Licht im Haus angeht und mein noch etwas verschlafener Gastgeber, ein freundlicher Koreaner mittleren Alters, mich noch etwas müde aber auch leicht fragend anlächelt (Ich bin gegenüber den letzten Tagen deutlich früher auf den Beinen) und ich ihm per Übersetzungs-App auf dem Smartphone mein Vorhaben mitteile, er umgehend die Parkverwaltung anruft (es ist gerade mal etwa 6 Uhr morgens) und sich nach dem Wetter und geöffneten Wanderwegen erkundigt, mich noch freundlich in den Speisesaal des Hauses bittet, sogleich den Kaffeeautomaten anstellt und ich kurze Zeit später doch noch ein kleines Frühstück genieße, welches aus ein wenig Toastbrot, amerikanischer Erdnussbutter, einem kleinen hausgemachten Salat, ein paar Maronen, einer Tasse Kaffee sowie einem Glas Orangensaft besteht.

Gestärkt verlasse ich noch deutlich vor 7 Uhr das Haus, steige in den Mietwagen mit Ziel Hallasan Nationalpark in der Inselmitte, trage die Adresse in das Navigationssystem ein und folge der freundlichen englischen Stimme mit leicht koreanischem Akzent, jedenfalls bilde ich mir ein dies herauszuhören.

Noch vor 8 Uhr erreiche ich problemlos den menschenleeren Parkplatz des Nationalparks bei noch immer bedecktem Himmel, steige aus dem Auto, einem flotten Kia Morning (mit verlässlichem Automatikgetriebe), welches sich nicht abschließen lässt (in Korea wohl nicht üblich), mache ein Bild vom Standort und bemerke erst jetzt, wie frisch es doch an diesem frühen Morgen ist, ich trotz Wanderhose und -schuhen, dicken Socken, Pullover, wasserdichter Regenjacke und orangeroter Strickmütze auf dem Kopf keine Handschuhe mit auf die Reise genommen habe.

Eher zufällig entdecke ich einen Parkwächter am anderen Ende des Parkplatzes, gehe ein wenig ratlos winkend in seine Richtung, begrüße ihn freundlich mit einem "안녕하세요" (ein höfliches "Hallo" auf Koreanisch) samt leichter Verbeugung, erkläre ihm mein kleines Problem mithilfe der so praktischen Übersetzungs-App und frage ihn darüber recht naiv, ob man denn hier irgendwo ein paar Handschuhe kaufen könne (weit und breit ist übrigens kein Geschäft in der Nähe inmitten schönster Natur).

Er liest kurz den in 한글 (koreanisches Alphabet) übersetzten Text, nickt verständnisvoll und bedeutet mir mit ihm zu kommen.

Ich folge ihm durch einige Tore, Türen und kleinere Gatter, bis wir vor einer Art Lager stehenbleiben, er kurz darin verschwindet und vergnügt mit 2 Paar genoppter Gartenhandschuhe in fröhlichem Grün wiederkehrt.

Er gibt sie mir mit den ungefähren Worten "a gift for you", woraufhin ich ihm ein paar Scheine südkoreanische Won dafür geben möchte.

Der freundliche Parkwächter im mittleren Alter winkt jedoch vehement ab, nimmt aber die angebotenen Fruchtriegel (diese habe ich in größerer Anzahl vorsorglich extra aus Deutschland mitgenommen) dankend an und führt mich zurück zum Anfang des Eorimok-Pfades, dem Start meiner Wanderung heute, an dem wir uns höflich verbeugend verabschieden.

Ich befinde mich bereits auf etwa 970 Höhenmetern über Normalnull, wenn man dem Eingangsschild glauben mag, der Berg Halla hat ganz oben übrigens 1950 Höhenmeter.

Es ist vielleicht halb 9 Uhr morgens, weiterhin habe ich außer dem so hilfsbereiten Parkwächter noch keine weitere Menschenseele gesehen und nun bis zum Mittag Zeit, oben in der Berhütte zu sein, dort kurz einzukehren und zu verschnaufen, da man bis zum Einbruch der Dunkelheit am frühen Abend nicht viel später wieder auf dem Abstieg sein sollte.

Der von mir gewählte Weg gilt laut Beschreibung als leicht, ich ziehe mir die Gartenhandschuhe freudig an, packe das 2. Paar in den Rucksack und beginne meinen Aufstieg über nicht enden wollende hölzerne Stege, die dafür aber über noch nicht viel Steigung verfügen.

Die Zeit vergeht gefühlt sehr langsam, ich sehe am Wegesrand Warnhinweise (in Schilderform) auf rutschigen Untergrund, mache mir darüber aber nicht weiter Gedanken, überquere mein erstes sprudelndes Bächlein, sehe ab und an Schilder, die bis zur Hütte anfangs etwa 7 Kilometer anzeigen.

Nach weiteren Schildern, die z. B. überwiegend auf Koreanisch etwas über die Vogelarten in dieser Gegend (mehrsprachig) schreiben, beginnt der Weg sich häufiger zu ändern, es wechseln sich durchgehend hölzerne Stege samt Geländer mit nur hölzernen Stufen auf sonst mit Laub bedeckten steinernen, manchmal auch mit Erde oder Schotter aufgeschütten Stufen ab, die Steigung nimmt fast unmerklich (aber stetig!) zu, ab und an muss man einen weiteren Bach, nur auf recht lose Steine steigend, überqueren.

Der erste Wanderer, ein älterer Herr von vielleicht 80 Lebensjahren, rast an mir, mich höflich auf Koreanisch grüßend, in fescher Wanderkleidung mit Spikes an den Wanderschuhen und diesen Walking-Stöcken, die er gekonnt und engagiert zwischen die Stege haut, an mir vorbei, ein Stein am Wegesrand zeigt bereits 1.200 Höhenmeter an und ich komme langsam ins Schwitzen, bei noch immer eher frostigen Temperaturen und weiterhin bedecktem Himmel.

Es fängt nun leicht an zu regnen, die nächsten Höhenmeter die ich lese, zeigen 1.400 an, ich habe langsam Probleme dem eigentlich gut ausgebauten Weg zu folgen, da dieser immer glatter wird, ich häufiger fast ausrutsche mangels fehlendem Geländer oder Gebüsch, andem ich mich entlang hangeln könnte und frage mich, ob das auch in Deutschland erlaubt wäre in Sachen Sicherheit.

Nun beginne ich zu begreifen, warum dieser ältere Herr sich mit Spikes und Stöcken auf den Weg gemacht hatte und bewundere seine kluge Voraussicht.

In diesem doch recht bedauernswerten Zustand, bestimmt mehr als eine Stunde eher vorwärts schleichend, sehe ich eine Familie von unten kommend, die Eltern im mittleren Alter, die beiden Kinder bereits junge Erwachsene, man begrüßt sich freundlich die üblichen Floskeln nutzend (soweit ich es verstehen kann), ich werde vom Vater auf Englisch gefragt woher ich denn sei und mir im gleichen Atemzug anbietet, ob ich denn nicht mit ihnen wandern wolle.

Er gibt mir Spikes für meine Wanderschuhe, wofür ich ihm sehr danke, weiter erzählt er mir u. A., dass er ursprünglich von hier stamme, nun mit seiner Familie in Seoul lebe und gern Urlaub auf Jeju mache.

Ich nehme sein Angebot gern an und fühle mich sehr umsorgt von dieser herzlichen Familie und so vergeht die restliche Zeit bis zur Berghütte wie im Flug.

Dort spreche ich übrigens später in sehr gutem Deutsch (!) mit der Tochter des lieben Familienvaters (und sein Samsung-Mobiltelefon nutzend), die u. A. meine Muttersprache an einer angesehenen Universität studiert und ich mich dabei erwische, nach einer eher koreanisch eingefärbten Aussprache zu forschen während des angenehmen Gesprächs, die ich trotz gesteigerter Aufmerksamkeit nicht zu finden vermag.

Gegen Mittag lugt nun langsam die Sonne zwischen den Wolken hervor, Deutschland wacht zu diesem Zeitpunkt gerade erst auf, ich bin die letzten Stunden an schnee- und eisbedeckten Bäumen, Sträuchern und Büschen hier bei 1.600 Höhenmetern endlich oben angekommen.

Die Aussicht ist atemberaubend, der überaus beeindruckende Hallasan thront noch immer in einiger Entfernung majestätisch und zeigt sich von seiner vielleicht schönsten Seite.

Der Wind hier oben ist sehr rau(h) und an manchen Stellen wirft er mich gefühlt fast um, ich umklammere mein Handy so stark, als ob es um Leben oder Tod ginge, nur um hier ein paar hübsche Bilder vor die Linse zu bekommen.

Vermutlich dank eines leistungsstarken Sendemasts (gerade in Sichtweite) schicke ich seit Beginn meines Aufstiegs hochauflösende Bilder ohne wahrnehmbare Verzögerung in das nahezu 9.000 Kilometer entfernte Deutschland von dieser noch immer eher unbekannten Insel, welche sich nicht einmal auf jeder größeren Weltkarte finden lässt. Dieser Augenblick gerade fühlt sich so unwirklich an.

Wir kehren alle in der heimeligen Berghütte ein (auf den ersten Blick um mich herum bin ich die einzige europäische Langnase hier) und packen unseren Proviant aus.

Bei mir sind es, neben noch immer warmem grünen Tee aus meiner doppelwandigen Thermoskanne, getrocknete Persimmonen, etwas getrockneter Seetang, Bananen und ein paar Fruchtriegel, die ich in die Runde werfe, die liebe Familie packt u. A. das leckere und so typisch koreanische 김밥 (Kimbap) aus und mit vielleicht so 50 weiteren Koreanern im Raum herrscht hier eine gesellige Atmosphäre.

Ich offenbare mich mutig als Veganer, man erklärt mir freundlich, von welchen Speisen ich gern etwas essen könne und ich hoffe insgeheim, dass sie es wider besseren Wissens nicht mit dem Vegetarier verwechseln, da es wohl noch immer nur den "strengen Vegetarier" im Koreanischen gibt, der Begriff vielleicht etwas missverständlich ist und das Wort vegan (wörtlich als "비건" übersetzt) noch immer nicht so sehr bekannt zu sein scheint.

Während dieser, gerade für meine Füße sehr erholsamen, Pause diskutieren wir, welchen Abstieg man gemeinsam nimmt und bleiben am Ende beim Yeongsil-Pfad hängen, der laut Anzeige noch nicht einmal 4 Kilometer bis nach unten fassen soll.

Erst später verstehe ich warum.

Auf dem Weg nach unten, der überwiegend aus nicht enden wollenden Holzstufen (mit einem Geländer aus meist rotem Seil) besteht, habe ich anfangs wegen der unglaublich weiten Aussicht mit Höhenangst zu kämpfen, doch nach ein paar Minuten überwiegen die Glücksgefühle, die wohl gerade in Massen ausgeschüttet werden.

Ich kann von hier das riesige Meer in einiger Entfernung sehen, schroffe Felsen mit ganz viel Grün und werde regelmäßig von anderen Wanderern auf dem doch eher engen Pfad überholt, wobei eine kurze Verbeugung stets vollzogen wird.

Die Hinweisschilder an den Seiten zeigen zur Abwechslung jetzt ein paar Echsen als Bewohner in diesen alpinen Feuchtgebieten, doch das wohl lustigste Schild an diesem Tag schreibt "Greeting others makes hiking more pleasant!", was mir spontan ein kleines Schmunzeln entlockt.

Die Wolken hier oben sind in ihrer vollen Pracht traumhaft schön anzusehen und mit der Sonne zusammen wirken sie noch beeindruckender in all ihrer Formen- und Farbenvielfalt.

Von Weitem sieht man klitzekleine Häuser, die immer etwas mehr an Größe zunehmen, je tiefer man kommt.

Die Sonne hat sich nun endgültig befreit und strahlt eine wohlige Wärme aus und doch ich kann es kaum erwarten, endlich unten anzukommen.

Ein weiteres Schild am Wegesrand mit den Worten "Hike leisurely along the ridge!" bringt mich etwas ins Grübeln.

Übrigens sind sämtliche Schilder auf Koreanisch, Chinesisch, Japanisch und Englisch zu lesen.

Die Vielfalt der Schilder zeigt nun heimische Amphibien und Reptilien.

Besonders gefallen mir aber diese mit verschiedensten Arten von wilden Orchideen und ich muss aufpassen, durch das Lesen nicht den Anschluss zur Gruppe zu verpassen.

Es scheint, dass nur Touristen diese Schilder genauer lesen und Einheimische eher daran vorbeirauschen.

Bäume und Pilze runden die Schildervielfalt bis zum Ende des Abstiegs ab.

Ich verabschiede mich höflich von der so gastfreundlichen und hilfsbereiten Familie, man tauscht Visitenkarten aus und sie verweilen noch eine Weile hier am Eingang des Yeongsil-Pfades, bevor sie wohl später entspannt in ihr Auto steigen.

So ganz verstehe ich noch nicht, wie sie den gleichen Weg wie ich den Berg hinaufsteigen konnten und ihr Auto passend hier stehen lassen konnten, da meines doch recht weit entfernt am Beginn des Eorimok-Pfades auf mich wartet, hier es aber keine direkte Busverbindung gibt.

Dies bedeutet ganz praktisch, dass ich noch gute 2 Kilometer auf einem mit Holzbrettern versehenen Weg in Serpentinenform bis zur nächsten Haltestelle zurück zum Auto zu Fuß nehmen darf.

Ich befinde mich noch immer auf 1.100 Höhenmetern und die paar Kilometer ziehen sich jetzt gefühlt besonders lang hin.

Entlang immer wieder mal auftauchenden Verbotsschildern mit Bezeichnungen wie "Do not drink alcohol, smoke or cook", "Do not stray from the marked trail", "Do not litter" oder auch "Do not pick plants" komme ich der sehnsüchtig erwarteten Bushaltestelle immer näher.

Ein wenig verwundert bin ich aber über "Watch out for boars" und denke mir, dass diese sich tagsüber wohl kaum zeigen werden, laufe dadurch dann doch noch etwas flotter weiter.

Seltsames Wesen, diese Motivation.

Vor Schlangen wird auch gewarnt, aber so schnell wundert mich hier nichts mehr.

Ich denke eh nur noch an die baldige Bushaltestelle, an mein Auto und der "kleine" Hunger macht sich auch immer stärker bemerkbar.

Endlich! Die Haltestelle ist in Sicht und es warten auch schon ein paar Leute dort auf den Bus.

Laut der recht intuitiv zu bedienenden Naver-App in englischer Sprache müsste auch jeden Moment ein Bus eintreffen.

Dieser ist dann tatsächlich recht pünktlich vor Ort, erinnert mich aber eher an die Busse aus meiner Jugend in den 90ern, ich steige ein, begrüße kurz verbeugend den Fahrer, halte die aufgeladene Geldkarte mit Kakao-Friends-Motiv an das nun artig piepende Lesegerät und finde schnell einen Platz, wohl wissend, dass die Busse in Korea selten länger als wenige Sekunden an der Haltestelle verweilen.

Man muss sich sehr gut festhalten, da der Busfahrer wohl den Rennfahrer in sich entdeckt, sämtliche Kurven der Serpentine in einem Affenzahn mitnimmt und absolut nichts mit den sehr gesitteten Fahrern in Seoul gemein hat.

Ich komme kaum dazu die eigentlich schöne Aussicht zu genießen.

Wir kommen letztendlich am Eingang zum Eorimok-Pfad an, ich steige schweißgebadet und leicht wankend aus dem Bus, der nahezu zeitgleich sich schon wieder aus dem Staub macht.

Im Auto sitzend, verschnaufe ich ein wenig und suche hungrig in der Happy-Cow-App nach veganen Restaurants und Cafés in der näheren Umgebung, von denen es auf der Insel immerhin ein gutes Dutzend gibt.

Meine Wahl fällt auf das Detox Cafe 901.

Die Fahrt dorthin bei bestem Wetter mit ständigem Meeresblick vergeht wie im Fluge.

Das moderne, steinfarbene, eher kubusförmige Gebäude mit hohen Fenstern, sieht von außen gar nicht so fremd in dieser tollen Umgebung in freier Natur aus und passt sich gut ein.

Es könnte ebenso in Paris, London oder New York stehen und selbst die Kunst Andy Warhols würde mich hier nicht überraschen.

Ein echter Augenschmaus.

Nebenan befindet sich ein Yoga-Studio und die vielen Hängepflanzen, der Bücherschrank und einige Sessel wirken sehr einladend, um nur einige Elemente der stilvollen aber doch gemütlich wirkenden Einrichtung aufzuzählen.

Ich setze mich an den massiven Holztisch und bestelle reichlich, sehe die Sonne draußen am Horizont langsam untergehen und fahre anschließend gut gesättigt und voller Eindrücke zurück zur Unterkunft nach Aewol.

Dort schlafe ich dann später bei einer Sendung mit Dahyun von TWICE im TV bei "Mnet - We are K-Pop" viel zu schnell ein.

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Immer wenn ich in Korea bin, freue ich mich ung